Mit dem Fantôme durch Paris

Titou, Carmen Schubert

Eine meiner besseren Lebensentscheidungen war es, in meinem Studium eine kleine Veränderung vorzunehmen und trockene Statistikbücher gegen Romane und Gedichtbände einzutauschen. Und auch wenn es manchmal einige Monate dauert, bis das perfekte Buch wie der perfekte Mensch im Leben auftaucht und zeitweise Schreibblockaden und Deadlines in Streit geraten, liebe ich den literarischen Part meines (Uni-)Lebens. Spätestens in einem kleinen Café auf der Île Saint-Louis, wenn während eines sommerlichen Regenschauers die Bewohner des 4ten Arrondissement den neusten Klatsch der kleinen Insel im Herzen von Paris austauschen, kann auch ein apathisches Herz dich nicht mehr vor der lauernden Inspiration beschützen. Also beginnst du zu schreiben und fragst dich, wie du die letzten Monate ohne ausgekommen bist.

 

Schon in meinen Tagen als noch kleinere Carmen habe ich den Geschichten von Oscar Wilde und Gaston Leroux in Form von Hörspielen in meinem Alltag einen Platz gegeben, bevor ich später dann zu den originalen Buchversionen gegriffen habe, um auch wirklich alle Details des Lebens meiner imaginären Freunde kennenzulernen. Auch heute laufe ich ziellos durch die Städte dieser Welt, während sich die Erzählungen aus Lovecrafts Arkham vor meinem inneren Auge abspielen.

 

Manchmal habe ich das Gefühl, dass, selbst im zumindest offiziellen Erwachsenenalter, meine kindliche Phantasie nicht ganz von mir ablassen will; und so sehe ich, wenn ich an der eindrucksvollen Pariser Oper mit der vergoldeten Fassade vorbeilaufe, auf dem höchsten Turm das maskierte Phantom zu mir herab winken, in der Londoner Innenstadt Dorian Gray in eine Kutsche steigen. In der Rue Soufflot sitzt in einem Café Hemingway über einem Notizbuch, mit einem Bleistift in der Hand und starrt gedankenverloren aus dem Fenster in der Hoffnung, nicht in Vergessenheit zu geraten. 

Titou, Carmen Schubert
Titou, Carmen Schubert
Titou, Carmen Schubert

Titou, Carmen Schubert